Jeder kann heute seine Zielgruppe digital erreichen. Fußballer, Sänger, Schauspieler, politische Parteien, NGOs, Unternehmen tun’s dem US-Präsidenten gleich und bespielen alle Social Media-Kanäle.
Journalisten verlieren ihre Deutungs- und Themenhoheit. Jetzt könnte man einwenden, dass Nachrichtenprofis ihr Handwerk besser verstehen als Laien-Kommunikatoren. Das stimmt so allerdings längst nicht mehr. Ein Blick auf diverse Posts zu Nachrichten, etwa auf derstandard.at, macht‘s evident. Neben gewohnt viel Häme, die dort verbreitet wird, taucht immer wieder Besserwisserei im besten Wortsinn auf. Sie bestätigt gleichzeitig das Dilemma des Online-Journalismus. Mangelnde Werbeerlöse führen zu einer Minimierung personeller Ressourcen und damit einem Sparen an der Nachrichtenqualität.
Demokratiepolitisch ist das keine gute Entwicklung. Denn wer in der Komfortzone seiner Social Media-Meinungsblase verharrt, bekommt die Nachrichtenmelange serviert, die das eigene Weltbild nicht störenderweise verzerrt oder gar in Frage stellt.
Ist ein Gegensteuern möglich? Schwer.
Erstens: Die Medien haben ihre Kunden dazu erzogen, dass Online-Content grundsätzlich gratis ist. Qualitätsjournalismus, für den man bezahlt, wird zusehends eine Eliten-Nische („Die Zeit“, „Wallstreet Journal“). Die immer schon vorherrschende Schere zwischen Wissenden und Nicht-Wissenden wird auch weiterhin aufgehen.
Zweitens: Gut bezahlter Journalismus für die Masse hat vor allem im Regionalen und im Lokalen Zukunft. Diese Nachrichten sind einzigartig. Die Leute interessiert, was vor der Haustür passiert. Und das müssen keinesfalls Mord und Totschlag sein, wie der Erfolg der „Kleinen Zeitung“ beweist.
Drittens: Die Politik (oder Gesellschaft) wird draufkommen, dass die Vermittlung von Medienkompetenz für Jung und Alt wichtig ist. Wie entstehen Nachrichten? Wer hat Interesse an bestimmten Nachrichten? Wie sind Nachrichtenquellen zu bewerten? Warum ist bei Facebook und Google vermeintlich alles gratis? Medienkompetenz hat im Übrigen nichts mit iPad- oder Laptop-Schulklassen zu tun, sondern, wenn man so will, mit der Software, mit den Inhalten. Sonst wird vielleicht doch wahr, was der amerikanische Medientheoretiker Neil Postman in den Buchtiteln seiner 1985 bzw. 1992 erschienenen Bestseller prophezeit hatte: „Wir amüsieren uns zu Tode“ bzw. „Wir informieren uns zu Tode“. Und dabei hatte der gute Mann damals noch überhaupt keine Ahnung und Vorstellung, was den Menschen an Rund-um-die Uhr-Unterhaltung mit Internet und Social Media geboten wird.
P.S.: Helge Schneider, Musiker, Schauspieler und Schriftsteller. Warum ihn die Medien lieben (oder wie komponiere ich einen kleinen Hype): Lustiges, auffallendes, schräges Äußeres, schnarrende, etwas nuschelnde, einzigartige Stimme, gepflegtes Außenseitertum im Umgang mit der Öffentlichkeit, durchgeknallte, witzige Texte, eingängige Melodien mit Ohrwurm-Potential, begnadeter Musiker. Hier mit dem Mitsing-Song zur aktuellen Hitze „Sommer, Sonne, Kaktus“: