Auf den Straßen ist der Bär los. In der Urlaubszeit sind es mehrere Bären, um im Bild zu bleiben. Warum tun sich so viele Menschen diesen Stress, resultierend aus Staus, Kolonnen sowie gefährlichen Überhol-, Spurwechsel- und Bremsmanövern, an?
Weil sich Autos zu rollenden, komfortablen Wohnzimmern entwickelt haben.
Wo ist das Dolby Surround Sound- und Entertainmentsystem stets in Griffweite?
Wo ist der Aufenthalt trotz Affenhitze dank Klimaanlage bequem?
Wo hat es der Allerwerteste via Sitzheizung im Winter wohlig warm?
Wo stören keine drängelnden, stoßenden, schwitzenden, schimpfenden, sich seltsam verhaltenden Mitmenschen im Rahmen der kollektiven Fortbewegung?
Wo ist man zeitlich flexibel, an keine fixen Fahr- und damit Wartezeiten gebunden?
Im Auto.
In den Städten fahren selbst die, deren Arbeitsweg kürzer als drei Kilometer ist, zu 40 Prozent mit dem eigenen PKW, hat der „Spiegel“ (27/2019) kürzlich aufgezeigt. Die Hälfte aller Autofahrten erstreckt sich über maximal fünf Kilometer.
Studien haben ergeben, dass zum Beispiel das Im-Stau-Stehen für viele Pendler Zeit ist, die sie gerne ganz für sich selbst nutzen. „Quality Time“ quasi. Autos sind heute trotz aller vermeintlichen Unbill weiterhin eine entspannte, individuelle Wohlfühl-Alternative zu überfüllten Zügen, Bussen, Straßen- und U-Bahnen. Daher ist der freiwillige Verzicht auf den PKW für die Allermeisten natürlich überhaupt kein Thema. Und deshalb sollte diese riesengroße, durchaus logisch nachvollziehbare Liebe zum Auto viel stärker zu Geld gemacht werden. Das dann dazu verwendet wird, Züge, Busse etc. zu annähernd ähnlich bequemen, wohnzimmerartigen und vor allem letztlich preisgünstigeren Verkehrsmitteln auszubauen. Unserer Umweltbilanz würde es guttun.
Geht ja auch anders: Fahrräder, E-Scooter, Züge, Boote oder Straßenbahnen sind in Porto und Lissabon ganz akzeptable PKW-Alternativen. Zudem ist schlichtes Gehen eine passable Fortbewegungsspielart, die man, um trendig zu sein, gerne als „Walking“ bezeichnen kann.