Jede Wortwahl zieht eine bestimmte Emotion nach sich. Man denke an die Flüchtlingsflut. Eine Flut ist eine von Haus aus nicht in den Griff zu kriegende Naturkatastrophe. Der Sozialstaat ist immer öfter negativ besetzt, er kostet unheimlich viel Geld und wird ausgenutzt. Dabei müsste er vielmehr als gesellschaftliche Errungenschaft gesehen werden, als Schutzschild für die Schwachen. Hier kann ein klein wenig von den großen Wirtschaftskapitänen gelernt werden. Die sehen keine Probleme, sondern nur Herausforderungen.
Einen Tag später, am 21.12., folgte der nächste Aufreger in „Heute“. Diesmal ein gerechtfertigter, der noch dazu mit dem Sozialstaat-Aufreger durchaus im Zusammenhang steht. „Das verdient Österreich: Wer arm ist, ist immer ärmer dran“ Der Einkommensbericht 2016 des Rechnungshofs (http://www.rechnungshof.gv.at/aktuelles/ansicht/detail/rechnungshof-veroeffentlicht-einkommensbericht-20161.html) hat es aufgezeigt. Niedrigstverdiener und Arbeiter geht es im Vergleich zu 1998 inflationsbereinigt deutlich schlechter. Auch die mittleren Einkommen sind seither gesunken. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird schlichtweg größer. Nicht nur in Österreich. Der in Wien beheimatete Unternehmensberater Dr. Daniel Thorniley mahnt in seiner globalen Wirtschaftsprognose: „We cannot build a secure, sustainable economic recovery based on zero-hours contracts and temporary jobs.“
Dass in einer solchen Situation der soziale Friede gefährdet ist, überrascht kaum. Dazu muss man weder Regierungschef noch Ökonomieprofessor sein. Der ehemalige österreichische Fußball-Teamspieler Muhammet Akagündüz hat es in einem Interview mit dem Magazin „Biber“ sehr entspannt so formuliert: „Man lernt aber von der Geschichte: Wenn es den Leuten gut geht, gibt’s kein Problem und wenn es den Leuten schlecht geht, braucht man Sündenböcke. Irgendwer muss ja die Schuld tragen und derzeit sind es halt die Moslems.“ Oder die Ausländer. Oder die Arbeitslosen. Oder die Sozialhilfebezieher. Oder…
Daher Geschichtsbewusstsein zeigen plus die sozialen Probleme als Herausforderungen sehen, und zwar den Riss, der durch das Land geht: zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land, zwischen globalen Wirtschaftseliten und dem kleinen Mann aus der Provinz (siehe „Die Zeit“, 05.01.2017, S. 21) – das wär‘ schon mal ein guter Start ins Jahr 2017.