Sich zu empören ist heute dank Internet und Social Media sehr leicht geworden. Via Postings, oft anonym, tun sich rasch breite Protestfronten auf. Das erfuhr jetzt eine Ö3-Moderatorin, die sich abschätzig zur österreichischen Musikszene geäußert hatte. Nichtiger Anlass, große Wirkung. Der digitale Mob rückte aus, um die Frau, stellvertretend für die Sendepolitik des staatlichen Rundfunks, zum Watschentanz zu bitten.
Eine Erkenntnis und eine Prognose, diese Causa betreffend.
Erstens: Um Protest zu äußern, braucht es sozusagen keine öffentliche Genehmigung mehr. Früher hätte es einer hoheitlichen Petition an den Rundfunkrat bedurft, um eine entsprechende Diskussion anzustoßen. Durchaus positiv, diese Demokratisierung des Protests.
Zweitens: Elke Lichtenegger, so heißt die unfreiwillig zur kurzfristigen Berühmtheit gewordene Journalistin, kann beruhigt sein. Die Empörung der Netzgemeinde ist von kurzer Dauer, sie verebbt so rasch wie sie entstanden ist. Schon bald wird thematisch eine neue Sau durchs digitale Dorf getrieben werden. Der Mensch braucht Abwechslung. Der Wunsch, sich allzu lange auf ein einziges (Empörungs-)Thema zu konzentrieren und jenes eventuell sogar reflektierend dauerhaft diskutieren zu wollen, ist selten.
Der „Presse“-Journalist Jakob Zirm hat eine andere Facette dieses Phänomens kürzlich in einem Kommentar sehr schön beschrieben. Darin analysiert er, dass Amazon die Protestwelle in Deutschland - Stichwort Arbeitsbedingungen – überhaupt nicht geschadet hat. Der US-Konzern wächst dort weiterhin prozentuell zweistellig. Starbucks (Kritik an Steuerflucht aus England) oder Toyota (Pannenserie in den USA) sind andere Beispiele dafür, dass viele Verbraucher trotz medialer Schelte und persönlichem Unbehagen ihr Konsumverhalten dann lieber doch nicht ändern. Weil Amazon praktisch ist, Starbucks als trendig gilt und Toyota für Verlässlichkeit steht.
Die Kommentar-Headline von Jakob Zirm lautete übrigens: „Die Dauer-Empörten kaufen weiter“. Meine Prognose für Ö3: Die große Mehrheit der Hörer wird dem Sender die Treue halten – auch ohne Austropop-Liedwerk im Programmangebot.