Steven Gerrard. Was hat der als Fußballer nicht alles erlebt! Mit dem FC Liverpool die Champions League 2005 gewonnen, aber niemals während seiner langen, 18 Jahre dauernden Profi-Karriere die Premier League, die nationale Meisterschaft. Ich kann mich noch erinnern, wie er mir, wiewohl Sympathisant des Stadtrivalen Everton, leidgetan hat. Der FC Liverpool war 2013/2014 mit einem Luis Suarez in den Sturm-Reihen drauf und dran, endlich – nach 1990 – wieder einmal die Nummer 1 im Land zu werden. In einem der allerletzten Spiele, jenem gegen den FC Chelsea, rutscht ausgerechnet Steven Gerrard als letzter Mann am nassen Rasen aus, die Londoner erzielen ein Tor und gewinnen am Ende 2:0. Wenig später führt der FC Liverpool bei Crystal Palace 3:0 und kassiert aus dem Nichts heraus noch drei Gegentreffer. That´s it. Wieder einmal. Die Liedzeilen aus „You´ll never walk alone“ müssen Trost spenden.
Steven Gerrard wirft die Floskel-Maschine an. Die von ihm gewählte Spielbeschreibung des „Physical game“ bedeutet, dass Kampf und Krampf und viele Fehlpässe statt hoher Fußballkunst und durchdachte Kombinationen im Mittelpunkt standen. Er hadert mit einem Lattenkopfball in Hälfte eins, der dem Spiel eine andere, für ihn positive Wendung geben hätte können, er spricht seinen Jungs Lob aus und sieht sein Team auf einem guten, allerdings noch langen Weg, der zu gehen sein wird, um den Erfolgspfad weiter beschreiten zu können. Ein schottischer Journalist spricht ihn auf einen Leihspieler des FC Liverpool an, der in Glasgow anscheinend unzufrieden ist. Steven Gerrard kündigt höflich an, mit diesem Herrn das Gespräch zu suchen. Sein FC Liverpool holt ihn selbst an dieser Stelle, im 14. Wiener Gemeindebezirk, ein. Der Trainer des Rangers FC bedankt sich danach brav fürs Interesse, erhebt sich rasch von seinem Sitz und sucht, mit dem Spice Girl 4.0 an seiner Seite, das Weite. Den neben ihm platzierten Dolmetscher hebt er dabei fast aus dem Sessel, weil der Platz für den eiligen Abgang vom Podium einfach zu eng ist.
Legenden-Wechsel: Rund zehn Minuten nach Steven Gerrard kommt die Rapid-Legende Dietmar „Didi“ Kühbauer zum Medien-Tête-à-Tête. Trainer Kühbauer hat Trainer Gerrard einiges voraus. Er spielte mit der Admira (!), mit dem WAC (gegen Borussia Dortmund!) international und schaffte es zuletzt, aus dem Stockletzten St. Pölten (!) einen Europacup-Aspiranten zu machen. Jetzt also lautet für ihn die Station Wien-Hütteldorf, endlich. Ein ob des Sieges und Weiterkommens im Europacup erleichterter, entspannter Kühbauer wirft die Schmäh-Maschine an und startet seine Analyse mit „Was soll ich sagen?“, freut sich dann ob seiner gelungen Spielerwechsel („Natürlich habe ich das alles vorhergesehen“), verneint, dass ein Zaubertrank sein Team stark gemacht hat und kündigt an, dass Torschütze Dejan Ljubicic eine Strafe bekommen wird, weil er ja eigentlich in einer Defensivrolle vorgesehen war. Der Dolmetscher übersetzt brav ins Englische. Die fast 30 mitgereisten schottischen Journalisten sind allerdings mehr damit beschäftigt, die weiteren Chancen der Rangers in der Meisterschaft analysenhaft in ihre Laptops zu hämmern als dem Wiener Schmäh zu lauschen. Ihnen im Besonderen wünscht Rapid-Kommunikationschef Peter Klinglmüller am Ende der Pressekonferenz eine gute, sichere Heimfahrt und spricht den Wunsch aus, dass es nicht wieder 54 Jahre dauern solle, dass sich die beiden Vereine im Europacup begegnen. However: Es gilt die Vermutung, dass Steven Gerrard dann wohl nicht mehr auf der Trainerbank des Rangers FC zu finden sein wird.