Die Leute wollen es bequem haben, einfach, leicht verständlich. Amazon ist deshalb so erfolgreich, weil etwa der Amazon Fire Stick auch von jemandem wie mir im Nu installiert und damit einsatzbereit gemacht werden kann. Der Diskonter Hofer verzichtet auf die Aktionitis seiner Mitbewerber und bewirbt stattdessen neuerdings den „Hofer-Preis“, um klar zu machen, bei einem bestimmten Preis-Leistungs-Verhältnis stets der günstigste Händler zu sein. Dazu gesellen sich Marken, die selbsterklärend sind: Porsche steht für sportliches Fahren und schmuckes Design, Persil für verlässlich gutes Wäschewaschen und Ja! Natürlich für ebenso vertrauenswürdige Bioqualität. Fußball wiederum ist ein einfaches Spiel: Es reichen zwei Pullover oder Rücksäcke als Tormarkierung, der Ball als Spielgerät und das Wissen, dass das Runde ins Eckige muss. Schispringen oder Eishockey sind schwieriger zu organisieren, American Football ist komplex, und Langlaufen oder Sporttauchen ohne passende Umgebung auszuüben, funktioniert höchstens auf der Playstation.
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Zweitens: Wie in der Wirtschaft gibt es auch im Fußball die Furcht vor Unsicherheit, weshalb eine Menge an Statistiken und davon abgeleiteten Zukunftsprognosen produziert wird.
„Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm deine Pläne“, hat kürzlich Filmemacher David Schalko in einem Interview seine Großmutter zitiert. Die Statistik-Gläubigkeit wird im Fußball wie in der Wirtschaft hochgehalten, in letzterer löst das Controlling nicht selten die Kreativbremse aus. Der Grund dafür liegt im Sicherheitsdenken, gepaart mit dem Wunsch der Beherrsch- und Prognostizierbarkeit der Zukunft. Verständlich, aber da wie dort in die Kategorie „Netter Versuch“ einzustufen. Denn wer hat vor gut 15 Jahren wirklich vorhergesehen, dass wir heute mit dem Smartphone das Wissen der Welt in der Hosentasche stecken haben, dass uns die Gebrüder Lehman eine veritable Wirtschafts- und Finanzkrise bescheren werden, dass es mit Barack Obama den ersten Afroamerikaner im Weißen Haus und mit Angela Merkel eine Frau als deutsche Bundeskanzlerin geben wird. Und auch ein Donald Trump wurde aufgrund von Talkshow- und Wrestling-Event-Auftritten eher eine Zukunft als amerikanischer Lugner vorhergesagt. Im Fußball zeigt sich, dass Statistiken fürs große Ganze in die Irre führen. Ein schönes Exempel: In einem besonderen Spiel hatte Team A 52 Prozent Ballbesitz, schlug 22:10 Flanken, hatte 7:5 Ecken, verzeichnete 18:14 Torschüsse, davon 13:12 direkt aufs Tor – und verlor 1:7. Das Team A war Brasilien, das Team B war Deutschland, und das Spiel war das WM-Halbfinale 2014. |
Während man in der Wirtschaft vielfach die Orientierung an Quartalsberichten wichtig nimmt, ist es im Fußball die wöchentliche Tabellensituation. Eines meines spannendsten Spiele, die ich in England sehen durfte, fand im März 2016 statt. Southampton gewann gegen den FC Liverpool nach 0:2-Rückstand mit 3:2. Southampton ist ein kleiner Klub, der Erfolg des Teams führte zu seinem Auseinanderbrechen. Das von mir aufgenommen Foto zeigt unter anderem Trainer Ronald Koeman (rechts), der im Sommer 2016 zur Everton wechselte und inzwischen die niederländische Nationalmannschaft trainiert. Ferner sind mit Sadio Mané, damals zweifacher Torschütze (links, und Virgil van Dijk (3. von rechts) zwei Spieler zum Gegner, dem FC Liverpool gewechselt, letzterer um den Betrag von rund 80 Millionen Euro. Wie sehr der Kapitalismus sich im Fußball wiederspiegelt, zeigen auch diverse Zahlenwerke. So wurden für die TV-Rechte der Premier League zwischen 1992 und 1997 191 Millionen Euro bezahlt. Für die Periode 2016-2019 mussten dann 5.136 Millionen Euro berappt werden. Das ist ein Plus von 2.589 Prozent in 20 Jahren. Kein Wunder also, dass die Akteure inzwischen Mondbeträge verdienen. Bundeskanzler Sebastian Kurz erhält 22.217,80 Euro pro Monat. Der Chilene Alexis Sánchez in Diensten von Manchester United dagegen 439.482 Euro. Pro Woche.
Die Größe macht´s. In der Wirtschaft spricht man von der Economy of Scale. Im Handel haben die Supermärkte die Greißler ersetzt. Amazon wiederum wird die Handelsriesen unter Druck bringen. Google und Facebook verbuchen die satte Mehrheit aller Online-Werbeausgaben, und selbst die Zahl der Autofabrikanten wird, trotz Tesla-Hype, auch in Zukunft überschaubar bleiben. Für den Fußball kann beispielhaft die monetäre Größenordnung der Fernsehrechte (2016/17) als Indiz für diese These herangezogen werden: Sie liegt für England bei 2.750 Millionen Euro, für Spanien bei 1.500 Millionen Euro, für Italien bei 1.200 Millionen Euro, für Deutschland bei 960 Millionen Euro und für Österreich bei 34 Millionen Euro. Für den österreichischen Top-Kick werden also 1,24 Prozent des England-Wertes bezahlt. Premiere League-Absteiger AFC Sunderland erhielt in seiner Abschiedssaison 2016/2017 107 Millionen Euro an TV-Honorar, das war also mehr als das Dreifache aller jetzt 12 Vereine der österreichischen Bundesliga.
Fünftens: Dass der Marktmechanismus, wonach Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, funktioniert, kann im Besonderen beim Fußball nachvollzogen werden.
Was ist damit gemeint? Ist die Nachfrage größer als das Angebot, steigen die Preise. Übersetzt: Die Nachfrage nach guten Fußballern ist größer als das Angebot, daher steigen die Transferpreise. Die Nachfrage, im Stadion beim Wettkampf der Superhelden dabei zu sein, steigt, der Platzangebot ist limitiert, daher steigen die Ticketpreise. Die Nachfrage, Spitzenfußball übertragen zu dürfen, weil das sehr viele Menschen begeistert, lässt schlussendlich wiederum die TV-Gelder nach oben schnellen. Sehr schön ließ sich der Hype um Christiano Ronaldo nach seinem Wechsel von Real Madrid zu Juventus Turin in Zahlen gießen. Sein Shirt mit der Nummer 7 wird um 130 EUR pro Stück verhökert, der Verein verkaufte seine 30.000 Abos zu erhöhten Preisen binnen zwei Wochen, der Börsenkurs Juves zog um 30 Prozent an, und der YouTube-Kanal des Portugiesen war im Juli mit 36 Millionen Klicks der bestbesuchte im Fußballuniversum. Trotz Weltmeisterschaft. Inzwischen hat Ronaldo auch die meisten Follower auf Instagram, die sich sicherlich in Zukunft über so manche neue Unterhosenpräsentation freuen dürfen.
Sechstens: Profitieren in der Wirtschaft vor allem die Großen von der Digitalisierung, so sind es im Fußball die Großklubs.
Amazon, Google, Facebook saugen durch ihre Reichweite und ihren Datenreichtum Unternehmensgelder magnetisch an. Im Fußball tun dies die Großklubs, die aufgrund ihrer Erfolge, ihrer Superstars und ihres Merchandisingdrucks global omnipräsent sind und sämtliche digitalen Kanäle höchst professionell bespielen. So gibt es für die spanische La Liga nicht zuletzt deshalb - nämlich noch mehr Lionel Messi-Shirts in New York und San Francisco zu verkaufen - die Überlegung, das für Ende Jänner 2019 angesetzte Meisterschaftsspiel FC Barcelona versus Girona in den USA auszutragen. Die Kluft zwischen den Kleinen und den nach einer Superliga gierig dürstenden Riesen wird größer. Während Atletico Madrid in seiner neuen, chinesisch kofinanzierten Wanda Metropolitano Arena rund 68.000 Zuseher beherbergt, tummeln sich im baufälligen, rund zehn Kilometer entfernten Stadion von Liga-Konkurrenten Rayo Vallecano maximal 14.500 Fans, für die nicht einmal ein Online-Kartenverkauf existiert.