Die entscheidende Frage für das reiche Europa (und so wird es zurecht von Syrern, Afghanen oder Somaliern gesehen) wird langfristig nicht die kurzfristige Beherbergung von durch Krieg verfolgten und Armut getroffenen Menschen sein. Es geht vielmehr um ein neues Denken, wie denn die Zukunft von Arbeitsmarkt und Sozialsystem zu gestalten ist. Denn Faktum ist:
Die Zahl der Arbeitslosen steigt europaweit (und wird durch die Flüchtlinge weiter steigen), in Österreich liegt sie auf einem Rekordhoch von über 400.000 Menschen.
Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück und scheuen ob der staatlichen Abgaben und Auflagen davor zurück, neue Jobs zu schaffen.
Das Sozial- und Gesundheitssystem muss daher zwangsläufig weiter zurückgefahren werden, weil einerseits immer mehr Menschen darauf angewiesen sind. Andererseits fehlen Investitionen und neue Jobs, die jenes finanziell stützen könnten. Die Steuer- und Abgabenleistung von Wirtschaft und Arbeitnehmern scheint am Plafond zu sein.
Dass in Zukunft aufgrund des demografischen Wandels Arbeitskräfte fehlen werden, halte ich für eine Schimäre. Der technische Fortschritt bedingt, dass immer weniger Menschen immer mehr produzieren und leisten. Zugleich leben in einer global immer stärker vernetzten (Arbeits-)Welt mit sieben Milliarden Menschen ohnedies fast doppelt so viele wie noch vor rund vier Jahrzehnten.
Und schließlich gibt es die ungleiche Verteilung von Reichtum. Immer weniger Menschen besitzen immer mehr vom Wohlstandskuchen.
Nur wenn die Politik Antworten auf diese gesellschaftlichen Entwicklungen findet, wird Frau Merkels Credo „Wir schaffen das“ Realität werden. Das gilt im Übrigen auch für den Abschiedswunsch von Herrn Tsipras an die 30 Syrer und Afghanen: „Heute haben Sie die Möglichkeit, eine Reise in die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu machen.“ Ich befürchte jedoch, dass - bis es hoffentlich einmal soweit ist -, Zäune, Stacheldraht und Militäreinsatz die Festung Europa schaffen werden und sehr bald andere, unschönere Bilder als jene vom Flughafen Athen um die Welt gehen werden.