Nachdenken ist ein subjektiver Akt. Daher kann das Ergebnis nur eine Analyse, eine simple Idee sein, die ziemlich wahrscheinlich, objektiv oder wissenschaftlich betrachtet, falsch ist, von der aber die eine oder andere Beobachtung und Betrachtung zumindest für einige durchaus nachvollziehbar klingen mag.
Was macht also den Fußball so absolut populär, dass er heute oft geradezu philosophisch überhöht beschrieben wird? Der Versuch einer Antwort.
Fußball ist nicht nur in unseren geographischen Breiten etwas, mit dem man als Kleinstkind beim Balltreten mit dem Herrn Papa im Vorgarten und später als Kind, Jugendlicher in Schule oder Verein sowie als Erwachsener, meist doch eher vor dem Fernsehapparat, konfrontiert wird. Diese Konfrontation über das gesamte Leben hindurch baut einen emotionalen Erlebnisvorrat auf, den man noch in späten Jahren abrufbar hat und der durch die Erinnerung Teil der eigenen Biographie geworden ist und weiter wird.
Das Erlebnis bezieht sich auf aktive Teilnahme, als Spieler, oder, später und deutlich länger, auf passive Partizipation, als Fußballplatzbesucher oder Fußball-Medienrezipient. Dieses Dabei-gewesen-sein ist für den Einzelnen vielfach so einschneidend, dass es über Jahrzehnte Bestand hat und erinnert wird. Bei mir ist es beispielsweise der Fehler als „letzter Mann“ des Jugend-Teams des SV Arnoldstein. Ich dachte fälschlicherweise, hinter mir stünden weitere Verteidiger, also ließ ich den Stürmer ungehindert davon- und aufs Tor ziehen. Der folgende Treffer besiegelte die Heimniederlage gegen den damals übermächtigen SV Spittal/Drau. Auf Tränen in der Kabine folgte der Trost von Trainer und Mannschaftskollegen. Den erinnerungstechnischen Schlusspunkt setzten vor rund zehn Jahren zwei erzielte Tore gegen das österreichische Autoren-Nationalteam, was weniger für meine sportlichen Qualität als vielmehr für den miserablen Zustand des Gegners Aussagekraft hat. In dessen Reihen befand sich als Verteidiger und mein, übrigens einmal unabsichtlich gefoulter, Gegenspieler der berühmte Schriftsteller Franzobel, der, ein Fazit aus dem Match, deutlich besser fabuliert als er mit dem Ball per Du ist. Im sozusagen passiven Bereich wiederum folgten über Jahrzehnte etliche Highlights, vom Besuch eines Cupfinales, das der kleine Kremser SC gegen den vom großen Ernst Happel trainierten FC Tirol überraschend gewann, über drei Tore von Anton „Toni“ Polster am 15. November 1989 im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen die DDR bis hin zum vor zwei Jahren live miterlebten 3:2-Achtungserfolg des FC Southampton gegen Jürgen Klopps FC Liverpool, der zur Pause noch 2:0 geführt hatte. Die etlichen Lowlights spare ich an dieser Stelle aus.
Fußball bietet Hochs und Tiefs, wie sie das Leben des Einzelnen, der Blick auf die Gesellschaft oder aber eben auch die Geschichte der Wirtschaft bzw. von Unternehmen offenbart und liefert. Hochs und Tiefs haben zwar stets mit Fakten zu tun, es ist jedoch die positive oder negative Emotion, die in der Seele und im Gehirn Erinnerungsspuren hinterlässt. In der Wirtschaft etwa sind es die glorreichen Erfindungen und Innovationen, der kometenhafte, erfolgreiche Aufstieg von Unternehmen und deren tiefer Fall ein paar Jahre oder Jahrzehnte später, die hängen bleiben.
Daher ist es nur logisch, dass alles, was im Fußball passiert und von den Verantwortlichen, den Spielern, Fans, Trainern, Vereinsbesitzern oder Verbandspräsidenten, unternommen wird, eine Analogie zu all den anderen gesellschaftlichen Befindlichkeiten, Vorkommnissen und Trends ist. Dabei hat dieser Sport den Vorteil gegenüber den Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und auch im Privatleben, dass er eine permanente Emotionsschleuder ist, die die Menschen im raschen, inzwischen fast täglichen Matchtakt leidlich hin und her bewegt, rauf- oder runterzieht. Dieses Plus erkennen speziell reiche Menschen, indem sie sich durch den Kauf eines Fußballklubs oder durch Übernahme von Verantwortung in denselben diesen Gefühlswelten im Stakkato-Takt hingeben wollen, um damit Woche für Woche diejenige überschwänglich positive Zuwendung zu erfahren, die sie sich sonst anderswo mit ihren Millionen und Milliarden nicht wirklich kaufen können.
Welche - natürlich 11 (!) – Thesen ich für die Wirtschaft und den Fußball gleichermaßen aufstellen möchte, davon soll in meinen beiden nächsten Blog-Einträgen die Schreibe sein.
Emotion pur in Schottland: Stahlmänner gibt es dort längst keine mehr. Aber der schottische FC Motherwell ist nach wie vor der Klub der „Steelmen“. Nur allzu logisch, dass dieses Image und Erbe weiterhin sorgsam gehegt und gepflegt wird, etwa in diesem Werbespot, der zum Kauf einer Saisonkarte animieren soll: